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Love is weird

Oder: Woran ich glaube, wenn ich von der Liebe spreche




Ich hab neulich mal wieder Radio gehört. Ich erwähne das, weil das bei mir recht selten vorkommt. Eigentlich nur, wenn ich zuhause bei meinen Eltern in der Küche stehe und mit Papa beim Kochen laut zu Popsongs gröle, die ich mir alleine niemals anhören würde, aber in dieser Gesellschaft mein Herz ganz warm werden lassen. Vor ein paar Tagen saß ich also im Auto, ohne USB-Kabel, und „musste“ mit dem Radio vorlieb nehmen. Dabei habe ich einen Song gehört, der „Love is weird“ hieß. Ich mochte das Lied. Und ich glaube, meinem Papa gefällt es auch. Aber das nur am Rande. Es hat mich auf jeden Fall nachdenken lassen. Über die Liebe, natürlich.


In den meisten Liedern heißt es, dass die Liebe süß ist, dass sie Schmerz oder Glück, verloren oder unendlich ist. Dass sie seltsam ist, habe ich so noch nicht gehört, oder nicht hören wollen. Dabei habe ich mich immer schon für die Liebe interessiert und sie auf jede erdenkliche Weise gesucht und erforscht. In Hörbüchern, die aus dem alten, bunten Kassettenrekorder röhrten, auf Ausmalbildern zwischen Prinzen und Prinzessinnen, in Büchern, Serien, Filmen und natürlich auch im „echten“ Leben. Vielleicht wurde ich von meiner Mitwelt deswegen lange nur als verträumtes, niedliches Mädchen gesehen. Je öfter ich das gesagt bekam, glaubte ich selbst daran und verband Geschichten der Liebe immer mit einer Spur Neid und Selbstmitleid, war ich selbst diejenige, die alleine, in einer komplizierten oder einfach nur mittelmäßigen Beziehung war, die, die sich nach all dem Trara und Brimborium der groß angekündigten Liebe sehnte.


Heute sehe, fühle und lebe ich das anders. Weil ich die Liebe — zum Glück — nicht mehr als Ziel begreife. Weil Liebe für mich nichts ist, das erreicht werden muss, auf das hingearbeitet werden muss, das erst mit einem ganz bestimmten Menschen eintreten wird, etwas, das ich nur im Außen finden kann, das verdient werden will und an Bedingungen geknüpft ist. Weil Liebe mehr ist, als ein romantisches Drama auf der Leinwand. Weil sie nicht das höchste Ziel im Leben ist. Sondern, ganz schlicht gesagt, das Fundament, auf dem das Leben baut. Sie ist der Motor, die Energie, die uns das Leben überhaupt erfahren lässt. Liebe ist nicht einfach nur eine Emotion. Liebe ist eine Haltung. Eine bewusste Entscheidung, die ich jeden Tag treffen kann. Und aus diesem neuen Blickwinkel lerne ich die Liebe gerade ganz neu kennen.


Diese Liebe hat viele Facetten. Ich kann mich selbst lieben. Meinen Körper, meine Gedanken, meine Vergangenheit und Zukunft, das Licht, genauso wie die Dunkelheit in mir. Diese Liebe öffnet mir die Augen und hilft mir, ich selbst zu sein, mich zu zeigen, mit allem, was ich bin. Ich kann mein Zuhause lieben, mein Haus, meine Mitbewohner:innen, alles, was mich an diesem Ort wohlfühlen lässt. Die Sonnenstrahlen, die Nachmittags auf mein weißes Bett fallen, die zaghaft wachsenden Pflanzen-Sprösslinge auf der Fensterbank oder die Morgenröte, die den Kuhstall in schönste Farben taucht. Ich sehe all das und ich fühle Liebe. Vielleicht ist das dieses Phänomen der Heimatliebe, das auf manch kitschiger Teetasse mit den Worten „home is where your heart is“ prangt. Ich kann meine Freunde lieben. Weil sie sind. Nicht, weil sie etwas für mich tun (was sie ganz großartig und voller Liebe tun), sondern einfach, weil ihre bloße Existenz meine Seele küsst. Weil sie mich bereichern, wachsen lassen, wärmen und nähren.


Früher dachte ich immer, dass ich meine Liebe nur einem Menschen schenken dürfte. Dass Liebe exklusiv ist. Nur zwischen zwei Menschen. So, wie das eben in meinem ganzen Umfeld vorgelebt und gepredigt wurde. Dass ich mit diesem Wort auf meiner Zunge sparsam sein muss, weil es kostbar ist und nicht mit jedem geteilt werden sollte. Dass die Liebe selten ist und ich mir gut überlegen soll, wem ich die meine schenke. Heute lerne ich, wie vielseitig Liebe ist. Und dass Liebe mit so vielen Menschen, Dingen und Wahrnehmungen geteilt werden kann, wie ich will, ohne sie oder mich einschränken zu müssen. Dass ich mich selbst lieben kann, frei von Arroganz oder Egoismus, dass ich meine Eltern lieben und trotzdem genervt von ihnen sein kann, dass ich einen Freund lieben kann, mit dem ich meine Sinnlichkeit neu erfahre, ohne, dass er die große Liebe meines Lebens ist. Dass ich meine Freunde lieben und es ihnen sagen kann, ohne Angst zu haben, eine Grenze zu überschreiten. Weil es so viele Arten der Liebe gibt als nur die eine, durchdringende, alles verschlingende Liebe, die in jeder kitschigen Lovestory erzählt wird.


Versteht mich nicht falsch, ich mag diese Geschichten an sich ganz gern, auch sie erzählen von der Liebe. Das Problem ist, glaube ich, dass sie uns falsche Erwartungen und Bilder in die Köpfe pflanzen. Bilder, die die Liebe verzerren und reduzieren, sie mit roten Rosen und Kerzenschein verknüpfen und wenig Raum für all die anderen, leisen, alternativen Sprachen und Weisen der Liebe lassen.


Mittlerweile weiß ich, dass Liebe viel mehr ist. Dass auch ich mehr will als nur diese eine Liebe. I mean: Ich habe so viel Liebe in mir, wieso soll ich sie mir aufsparen, bis irgendwann mein persönlicher Ritter in goldglänzender Rüstung auf mich zugeritten kommt? Und überhaupt, wer sagt, dass das nur einer sein wird? Warum sind wir so erpicht darauf, Liebe in einen goldenen Käfig zu sperren und an Besitz und Regeln zu knüpfen? Liebe will gelebt, gefühlt, geteilt werden. Sie will nicht in uns bleiben und so lange an den Gitterstäben rütteln, bis wir zu platzen drohen, sie ist kein Kaktus, der wenig Wasser braucht, die Liebe ist die Avocado der Herzen, sie will Wasser, Licht und Luft. Liebe will raus. Liebe will nähren und genährt werden.


Liebe ist nicht seltsam. Seltsam ist nur das, was wir aus ihr gemacht haben. Liebe ist bunt, vielseitig, Liebe ist klein und groß, laut und leise, wild und verspielt, verkopft und gefühlt. Jede Liebe ist anders. Jede Liebe will anders gesehen, erlebt und gefühlt werden. So, wie alles andere im Leben. Liebe ist Leben. Liebe ist Liebe. LOVE IS LOVE. Vielleicht sollte ich selbst mal einen Popsong darüber schreiben. Ob mein Papa und ich ihn dann auch in der Küche besingen würden?

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